Matthias Jung


 

FeedWind

Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Leuchtfeuer sehen und sein.

Predigt im August 2013


Leuchtturm

 

Liebe Gemeinde,

in der Kirche in Möllen steht in der Sakristei seit einigen Wochen ein Leuchtturm. Er wurde im Schulabschlussgottesdienst gebraucht und soll noch mal zur Einschulung Verwendung finden. Ich dachte, wenn er schon den ganzen Sommer hier steht, lohnt eine Predigt.

Deer Leuchtturm ist ein ganz bekanntes Symbol - und doch finden wir in der Bibel keinen einzigen.

Leuchttürme. Sie stehen Immer noch an unseren Küsten, verlieren aber an Bedeutung. Radar und GPS fühen die Schiffe heute sicher ans Ziel. Und doch weiß jedes Kind mit dem Bild eines Leuchtturms etwas anzufangen. Wie furchtbar das ist, im Dunkeln zu stehen weiß auch jedes Kind, das schon mal im stockfinsteren Keller stand, weil Bruder oder Schwester aus Jux oder Gemeinheit den Schalter umgelegt haben...

Der Leuchtturm in der Nacht. Er ist ein Symbol für Licht in der Dunkelheit. Früher ein Feuer in der Nacht, von Menschen entzündet und am Leben erhalten, um anderen den Weg zu weisen. Später elektrisch und weitgehend automatisiert. Ich vermute, jede und jeder hat bestimmte Bilder vor Augen, wenn wir an Leuchttürme denken. Einige denken vielleicht an Leuchttürme an Nord- oder Ostsee, wenn sie gerne da Urlaub machen. Zu denen gehöre ich nicht und daher sind es bei mir vor allem welche aus Büchern oder Filmen.

Merkwürdigerweise fielen mir zuallererst an Bücher von Enid Blyton ein. Die fünf Freunde zum Beispiel, die irgendwo an Englands Klippenküste auf gischtüberströmten Steinen herumkraxeln und Abenteuer suchen, finden und bestehen. Geheimnisvolle Leuchttürme spielen in der haufig düsteren, verregneten Atmosphäre immer wieder eine Rolle.

Wenn ich weiter denke, erweitern sich meine Erinnerungen schnell vom Leuchtturm hin zum Leuchtfeuer hoch oben auf einer Klippe oder einem Berg. Unauslöschlich hat sich mir eingeprägt, wie Jules Verne in seinem Klassiker »Die geheimnisvolle Insel« mit dem Leuchtfeuer auf der den Klippe der einsamen Insel den im Sturm um ihr Leben kämpfenden den Weg weist, Hoffnung gibt. Später stellt sich heraus, es war Kapitän Nemo von der Nautilus, mit dem ich bereits 20.000 Meilen unter dem Meer unterwegs war, im Buch natürlich.

Und ebenso stark hat mich ein Leuchtfeuer im Film »Der Herr der Ringe« beeindruckt. Als kaum noch Hoffnung für das Königreich Rohan besteht und der König zweifelt, steigt mutig einer der kleinen Hobbits auf den Turm der Burg und entzündet das trockene Holz, das dort liegt, um im Notfall Hilfe herbeizurufen. Und dann leuchtet mit einem Mal auf den Bergen ein Feuer nach dem anderen auf. Und Hilfe kommt.

Licht in der Dunkelheit, ein Feuer in der Nacht. Vor der Erfindung der Elektrizität war es eben das Feuer, das Licht gab. Mit Kerzen, auf einem Leuchter oder eben auf einem Berg oder Turm. Vom Leuchtfeuer ist daher auch die Rede und das erweitert noch einmal das Symbol des Leuchtturms. Hoch oben, weithin sichtbar brennt ein Licht und gibt Orientierung macht Mut, schenkt Hoffnung. Licht und Feuer, Feuer und Licht verbinden sich noch einmal in besonderer Weise, urtümlich und lebendig.

In der Bibel gibt es keine Leuchttürme und auch keine Leuchtfeuer auf den Bergen. Israel war eben keine Seefahrernation, das waren eher die Phönizier. Und Leuchtfeuer, vielleicht gab es sie, aber es existieren auch andere Möglichkeiten Hilfe zu holen. Wir hören von Hörnern, die im Kriegsfall ertönen oder von Boten, die sich durch die feindlichen Linien schleichen. Aber es gibt eine kleine Erwähnung im Alten Testament, in der hebräischen Bibel, die doch eine große Wirkung hatte. Weil sie eben dieses Symbol vom Leuchtfeuer in der Nacht aufnimmt, was in uns Menschen offenbar so tief verankert ist: Feuerschein und Wolkensäule begleiten das Volk Israel in der Wüste und hiermit verbinden sich für Israel Hoffnung und Hilfe:

Gott zog immer vor ihnen her, tagsüber in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, nachts in einer Feuersäule, um ihnen den Pfad zu erhellen. So konnten sie Tag und Nacht wandern. Die Wolkensäule wich bei Tage nicht von der Spitze des Zugs, die Feuersäule blieb dort in der Nacht.
(Ex 13,21f. BigS)

Gott ist Licht und Hilfe. Er ist uns Leuchtfeuer. Hilfe und Orientierung am Tag und vor allem in der Nacht.

Gott ist mein Licht und meine Befreiung, vor wem sollte ich mich fürchten?
(Psalm 27,1 BigS)

Und Licht, das ist zu biblischer Zeit eben Sonnen- oder Mondlicht oder eben Feuer, wie auch immer.
In besonderer Weise spielt der Gegensatz von Licht und Finsternis bei uns natürlich in der Advents- und Weihnachtszeit bis hin zu Epiphanias eine Rolle. Jetzt, in der hellen Jahreszeit, fällt es uns schwerer, die Bedeutung nachzuempfinden. Gerade deswegen aber finde ich es gut, in dieser Zeit darüber einmal nachzudenken. Denn stockfinster kann es in mir auch bei strahlendem Sonnenschein sein. Und das empfinden Menschen dann als besonders unwirklich. Zumindest mir geht das so. Traurigkeit und depressive Anflüge passen eher zum Nebel im November als zur Sonne im August. Und dennoch: Gott ist mein Licht und mein Heil, das gilt auch hier. Das wissen wir. Eigentlich ist es für uns nicht schwer, das Symbol des Leuchtfeuers zu verstehen.

Das ist das eine. Es gibt aber noch einen anderen Gedanken. Den hat Jesus ins Spiel gebracht. Und da tun wir uns schwerer mit: Wir als seine Nachfolgerinnen und Nachfolger sollen leuchten in der Welt, nein, genauer: Wir sind Leuchtfeuer.


Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
(Mt 5,14-16, Luther)


Schwieriger Gedanke. Wir sind ein Licht in der Welt, ein Leuchtturm, ein Leuchtfeuer, weithin sichtbar? Wenn wir auf die oft kümmerliche Realität von Kirche und Gemeinde schauen, dann würden wir vermutlich eher auf die Idee kommen, uns zu verstecken oder ein Tuch über das Ganze legen, damit uns bloß niemand sieht. Und doch müssen wir diese Provokation Jesu aushalten. Ihr seid, wir sind. Punkt. Nicht ihr könntet, wenn ihr wollt oder euch anstrengt, nein, ihr seid die Stadt auf dem Berg, das Licht auf dem Leuchter.

Gut evangelisch, wie wir es gelernt haben, ist uns eher eine andere Rolle auf den Leib geschneidert: Ich kann nix, bin nix, hab nix – und wenn es in dieser Welt nicht klappt mit der Gemeinde, kein Wunder angesichts des Bergs von Schuld und Sünde. Wir haben nun mal den Glauben nicht, der ist immer Geschenk Gottes. Das ist alles richtig, aber die Schlussfolgerung ist eben falsch. Sage nicht ich, sagt Jesus. Ihr seid! Lasst es leuchten! Ja, der Glaube ist ein Geschenk, aber dann auch real. Etwas mehr Selbstbewusstsein, etwas mehr aufrechter Gang, etwas mehr Mut. Denn ihr seid die Stadt auf dem Berg, das Licht auf dem Leuchter.

Einfach ist das nicht, da oben auf dem Berg oder Turm ist es ziemlich luftig. Ich bin in Warnemünde mal auf den Museumsleuchtturm gestiegen. Als ich oben auf die Plattform hinaus trat, wäre mir fast meine Brille weggeflogen, so fegte es da. Dreißig Meter weiter unten war davon nichts zu spüren. Das Licht leuchten lassen, kann schon Gegenwind bedeuten. Und?, sagt Jesus, dafür ist es aber doch da. Das Licht, es soll leuchten und kann auch nicht anders. Unter den Scheffel stellen, Leute, wer macht denn so was...

Wenn wir das Geschenk des Glaubens annehmen, dann sollen wir es auch leuchten lassen. Damit es auch andere sehen. Nicht überheblich und besserwisserisch, aber klar und mutig. Ungewohnt ist das, es sträubt sich alles in uns. Das Gewohnheitstier ist mächtig, gelernt ist gelernt. Und doch: Wenn ich Gott als Leuchtfeuer in meinem Leben dankbar akzeptiere, dann muss ich auch bereit sein, zu leuchten. Und ich muss da gar nicht viel tun. Nur das eine eben nicht: mich verstecken. Wir sind ein Leuchtturm für die Liebe und Zuwendung Gottes in Jesus. Als einzelne, als Gemeinde. Ja, wir sind auch Sünderinnen und Sünder, aber das brauchen wir nicht jeden Tag zu betonen. Zumindest nicht häufiger als die andere Tatsache: Wir sind das Licht der Welt.

Der Leuchtturm. Hoch ragt er am Meeresrand auf. Weit strahlt sein Licht, sein Leuchtfeuer, gibt Orientierung, Hoffnung und Zuversicht. Dankbar nehmen wir dies für uns in Anspruch, dankbar geben wir diesen Zuspruch weiter, in Wort und Tat.
Amen.