Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

Ich glaube an Gott, den Vater und Allmächtigen...

Predigt über den 1. Artikel des Glaubensbekenntnisses im Juli 2004

 

(Überarbeitete Fassung einer Predigt auf http://www.kanzelgruss.de
Titel:"Gott der Vater und Allmächtige" - Predigt für den 16. Juli 2000 (4. Sonntag n. Trinitatis) - Teil I Predigttext: 1. Glaubensartikel
Ort: Ev. Kgm. Groß-Elbe
Prediger: Pfarrer Jürgen Grote)

Ich glaube: damit beginnt es. Ich, das heißt, es ist ein ganz persönliches Bekenntnis. Derjenige, der es mitspricht, spricht es für sich, drückt damit seinen eigenen Glauben aus. Nun sprechen wir das im Gottesdienst alle zusammen. Ist es dann noch ein persönliches Bekenntnis, wenn wir das alle mit den selben Worten sprechen?

Auf der einen Seite sicher nicht. Die Worte sind vorgegeben, seit fast 2000 Jahren werden sie so gesprochen. Insofern ist das Sprechen des Glaubensbekenntnisses keine rein persönliche Sache, dazu fehlt es an den eigenen Worten. Aber diese verbergen sich in den Gedanken und Gefühlen, die uns begleiten, wenn wir das Glaubensbekenntnis ganz bewusst sprechen und es in uns wirken lassen. Darin werden die alten Überlieferungen zu eigenen Glaubensgedanken, die sich mit den Worten der Väter verbinden.

Dennoch ist das "Ich glaube" der Anfang eines persönlichen Bekenntnisses, weil ich mich hineinstelle in die Reihe derer, die vor mir geglaubt haben und die heute mit mir glauben. Uns verbindet der gemeinsame Glaube, der in den Worten des Glaubensbekenntnisses seinen Ausdruck gefunden hat. Ich nehme das an, ich lasse das für mich gelten, das, was ich da mitspreche, ist für mich bedeutsam. Und das gilt auch, wenn nicht jeder Satz zu jeder Zeit gleiches Gewicht hat, wenn so mancher Satz mir nur schwer über die Lippen kommt und ich an einigen Stellen so meine Fragen oder auch Zweifel habe. 
Aber wir könnten auch gar nicht jeder hier heute Morgen unser ein eigenes Bekenntnis sprechen, das wäre ein heilloses durcheinander und würde eher an die babylonische Sprachverwirrung erinnern... Aber die Eckdaten dessen, was uns als Christen ausmacht und verbindet, das soll zum Ausdruck kommen, das wollen wir öffentlich aussprechen. Wir wollen zu unserem Glauben stehen, der uns in eine Gemeinschaft stellt und doch zugleich ganz persönlich ist.

Ich glaube. Glauben heißt nicht wissen, so sagt der Volksmund. Das stimmt. Aber Glauben bekennen, das hat was mit "Kennen" zu tun. Glauben ist eine Mischung aus Vertrauen und Kennen, aus dem sich einlassen auf etwas unbekanntes und gleichzeitig das Wissen um das, worauf ich mich einlasse. Deswegen gab und gibt es seit Beginn der Christenheit Unterricht im Glauben. Um es Ihnen als Taufeltern zu sagen: die kleine Mia hat nichts von dem verstanden, was da eben bei der Taufe geschehen ist. Erst wenn Sie oder jemand anderes es ihr einmal erklärt, hat sie die Chance, auf die "Informationen" hin zu glauben. Darum gibt es ja auch den Gottesdienst, die Predigt, das Gespräch unter Christen, um unser Vertrauen zu stärken und so die Grundlage für unser Glauben zu festigen.

Glauben ist aber nicht das Gegenteil von Wissen, also nur eine schlichte Vermutung, die wir schnell durch eine andere Vermutung schnell ersetzen könnten, wenn uns irgendetwas anderes plausibler erscheint. Nein, Glaube im christlichen Sinne ist eine Lebensentscheidung. 
Worauf gründe ich mein Leben? 
Worauf setze ich mein Vertrauen in meinem Leben, was gibt mir wirklich Halt und Perspektive im Leben? 
In dem alten Taufbekenntnis der Kirche heißt es zu Beginn: ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen. Ich setzte mein Lebenszuversicht auf Gott. Ich denke, diesen Satz können viele Menschen unterschreiben, auch viele Menschen, die mit einer christlichen Kirche nichts zu tun haben. Der Glaube an eine höheres Wesen, an einen, der über uns ist, ist weit verbreitet. Die Unterschiede der verschiedenen Glaubensrichtungen liegen darin, wie diese vier Buchstaben G O T T dann inhaltlich beschrieben werden. Und da gibt es große Unterschiede nicht nur durch die verschiedenen Religionen, sondern auch innerhalb der Religionen und Konfessionen gehen die Gedanken weit auseinander. Also, wenn ich sage: ich glaube an den christlichen Gott – dann bedeutet das: ich vertraue mich dieser Anschauung Gottes an, die durch die Christen gegeben wird. Darin sehe ich mein Leben wirklich getragen, mit diesen Gedanken sehe ich mein Leben in einer Weise umfangen, dass ich damit leben und auch sterben kann. Denn um das Leben und das Sterben geht es letztlich und im Leben und im Sterben hat sich der Glaube an Gott zu bewähren.

Das Hauptanliegen des christlichen Glaubens ist es, Gott in seiner ganzen Bedeutsamkeit vor Augen zu stellen: nämlich als Vater und als Allmächtigen. Das sind die beiden zentralen Begriffe, die gleich am Anfang des Bekenntnisses stehen und in der Mitte des Glaubensbekenntnisses noch einmal wiederholt werden. Und in diesem beiden Begriffen wird die ganze Breite des christlichen Gottesgedankens angesprochen. An erster Stelle: Gott ist Vater und auf dem Hintergrund weiblich denkenden Glaubens können und müssen wir ergänzen: Gott ist Vater und Mutter. Beim Propheten Jesaja wird Gott als sehr mütterlich beschrieben (Jes 66,9). Gott ist Vater und Mutter, darin bringt der christliche Glaube zum Ausdruck: Gott ist jemand, der uns Menschen in größter Nähe zugetan ist. Vater und Mutter: das heißt doch, da kommen wir her, von dort gehen wir aus, da ist unsere innere Heimat, da ist der Ort der Geborgenheit, der Ort, an den ich immer wieder zurückkehren darf, weil diese ursprüngliche Verbindung eine ist, die niemals aufzulösen ist. Und das gilt auch, wenn unsere Erfahrungen mit unseren menschlichen Vätern und Müttern schwierige Erfahrungen sind. Denn unsere menschliche Mutter und unser menschlicher Vater sind ja nicht Gott. Sie sind Menschen mit ihren menschlichen Fehlern. Doch das Bild des Vaters, das Bild der Mutter, ist eines, das der Nähe Gottes zu uns Menschen am ehesten entspricht. Es ist das Bild, das am ehesten ausdrücken kann, welch enge Bindung Gott mit den Menschen eingeht. Vater unser, so sprechen wir ja auch mit den Worten Jesu, der uns das möglich gemacht hat. Er, der Sohn, hat vom Vater gesprochen, wir als Geschwister in Christo, dürfen es ihm gleichtun. Die Taufe macht uns zu Kindern Gottes, zu Menschen, die mit aller väterlichen und mütterlichen Liebe bedacht werden, die Gott uns nur geben kann. Es gibt kein besseres Bild, mit dem wir Menschen diese Nähe zum Ausdruck bringen können, auch auf die Gefahr hin, dass unsere menschlichen Vorbilder diesem Bild oft nicht nachkommen und sie mitunter auch unser Gottesbild verdunkeln, wenn es nicht gelingt zwischen den eigenen Erfahrungen und dem Bild einer vollkommenen Mutter und eines vollkommenen Vaters zu unterscheiden.

Glaube bedeutet also, sich diesem väterlichen und mütterlichen Gott anzuvertrauen, so wie es Kinder mit uns als Eltern tun, offen, ganz selbstverständlich, darauf bauend, dass uns hier nichts geschehen kann. Wenn Vater und Mutter da sind, dann geht es mir gut, dann kann ich beruhigt leben, dann ist für mich gesorgt. Gott ist Vater und Mutter, Gott ist da, er ist für uns da, darum ist für uns gesorgt, wir haben, was wir wirklich zum Leben brauchen, wir können beruhigt leben, weil unser Leben in der Hand dieses väterlichen und mütterlichen Gottes ist.

Von Gott wäre aber nur halb geredet, wenn wir bei dieser Beschreibung Gottes stehen bleiben würden. Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, so heißt es im Glaubensbekenntnis. Und dieser Gedanke gehört zu unserem Glauben untrennbar dazu. Der größtmöglichen Nähe zu uns Menschen steht die ungeheure Distanz zu Gott gegenüber. Wäre er uns nur nahe, dann könnte er uns nicht gegenüber stehen und uns erlösen. Vater unser im Himmel, dieser Satz spricht dies in gleicher Weise aus. Wir können über Gott nicht sprechen, ohne auch diese Seite anzusprechen. Gott ist uns in aller Nähe ein Gegenüber, das uns in Anspruch nimmt, das Erwartungen hat, das nicht nur väterlich und mütterlich liebevoll ist, sondern auch etwas von uns will. Der Allmächtige, in diesem Wort spricht sich dieser Gedanke aus. Nur macht uns gerade dieser Gedanke auch sehr viel Probleme: Wo sehen wir diese Allmacht? Wenn er denn allmächtig ist, dann müsste er doch Kriege verhindern, Naturkatastrophen dürften nicht sein, unschuldige Kinder dürften nicht Opfer von Gewalt werden und Hunger dürfte es auch nicht geben. Wo also ist seine Allmacht?

Das sind Fragen, die bleiben hart im Raum stehen, und die Gott immer wieder in Frage stellen. Wir werden darauf auch in dieser Welt nie eine plausible und endgültige Erklärung bekommen. Diese Fragen bleiben der Stachel im Fleisch des Glaubens, sie sind Ausdruck unserer menschlichen Endlichkeit. Aber gerade dieser Stachel lässt uns danach fragen, was denn Sinn und Ziel unseres Lebens ist, es lässt uns nach Gott fragen, nicht nur im Sinne des: wie kannst du das zulassen?, sondern vor allem im Sinne des: was erwartest du von uns Menschen, wie sieht das Leben in deinem Sinne aus? Und es rührt an der Frage: was kann dem Tod, dieser Urbedrohung unseres Leben entgegenstehen, so dass ich mein Leben auch angesichts der Bedrohung durch das Nichtsein getrost führen kann?

Und dann sind wir nämlich bei der Frage nach er Allmacht Gottes. Gott kann nur Gott sein, wenn er als allmächtig geglaubt wird. Der Tod, die letzte Bedrohung unseres Lebens kann Gottes Handeln nicht aufhalten, auch wenn Gott den Tod nicht aufhält. Das ist die Botschaft von Jesu Kreuz und Auferstehung: Gott hält den Tod nicht auf, aber der Tod kann Gott nicht aufhalten. Das Leben bleibt in der Hand des allmächtigen Gottes, der alles umgreift auch den Tod. Es bleibt in der Hand des allmächtigen Gottes, der Neues schafft und dem Leben dient. 
Ich glaube an Gott, das heißt also, ich verlasse mich auf einen Gott, der mit seiner Macht mein Leben voll und ganz in seinen Händen hat. Trotz allem.
Amen.