Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Bitten.
Predigtreihe Gebet am 11. Februar 2001 

 

"Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet." 
(Matthäus 6,7-8)

"Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan." 
(Matthäus 7,7)

 

Liebe Gemeinde,

mit der Predigt über das Bitten schließe ich heute die Predigtreihe über das Beten ab. Bei der Vorbereitung habe ich gemerkt, dass viele Gedanken der letzten Wochen noch einmal auftauchen. Denn das Bitten hängt stark mit dem Danken und dem Klagen zusammen.

Wie viele Bitten gehen in der Minute gen Himmel! 
Hier wird um eine gute Mathearbeit gebeten, dort um Gesundung in schwerer Krankheit. 
Da bittet eine Schwangere mit ihrem Mann für eine gute Geburt, dort fleht ein Mensch Gott an, ihn endlich von seinem Leiden zu erlösen. 
In manchen Teilen der Welt beten Menschen darum, dass ihnen ihre guten Lebensverhältnisse erhalten bleiben. In anderen Gegenden sind bessere Lebensbedingungen ständiger Gegenstand der Fürbitte im sonntäglichen Gottesdienst.

Wenn ich einen Schritt zurück gehe und mir das Bittgebet aus einiger Entfernung anschaue, dann stelle ich fest, das es zwei große Formen von Bitten gibt. Die eine kommt aus dem Dank, die andere aus der Klage.

Ich sagte bei der Predigt über das Danken, dass wir uns in zwei Situationen dankbar fühlen: 
- wenn ich mich beschenkt fühle und 
- wenn mir geholfen wird. 
Beides empfinden in dem jeweiligen Moment nicht als selbstverständlich. Und aus diesem Gefühl heraus, dass etwas nicht selbstverständlich ist, ich kein Recht darauf habe, schlägt der Dank in die Bitte um: das, was mir heute geschenkt wurde, erbitte ich auch für morgen. Aus dem Dank für die Hilfe heute erbitte ich die Unterstützung morgen. Was heute ein Geschenk ist, auf das kann ich morgen kein einklagbares Recht haben. Die Bitte und die Fürbitte entspringt aus dem Gefühl, das viele Dinge, eigentlich alle, nicht selbstverständlich sind.

Die andere Form der Bitte entspringt aus der Klage, aus dem Gefühl, ich habe einen Mangel, aus dem sehnlichsten Wunsch, dass eine für mich oder andere schwere, ja auch oft unerträglich scheinende Situation sich zum Guten wenden könnte. Dann tragen wir Gott unsere Bitten, unsere Wünsche vor, mal still und ruhig, mal flehend und sehnlichst, oder auch verzweifelt und kam noch mit echter Hoffnung auf Erhörung...

Doch gerade das Bittgebet ist eine schier unendliche Quelle für Missverständnissen und Enttäuschungen. Wie viele Menschen sich von Gott angewandt haben, weil ihre Wünsche nicht in Erfüllung gingen, ihre Bitten nicht erhört wurden, dass weiß niemand. Doch die Art und Weise, wie ich bitte, Gott um etwas bitte, sagt viel aus über mein Verständnis von Gott und auch von mir als Menschen. Und da gibt es viele Vorstellungen und Hoffnungen, die nicht dem biblischen Gott entsprechen.

Weit verbreitet ist die Vorstellung, mit dem Bittgebet ginge es so wie mit dem Cola-Automat: wenn ich oben das richtige einwerfe kommt unten das gewünschte heraus. Diese Vorstellung begegnet in der einfachen Form beim Schüler, der um die Eins in der Mathearbeit betet und bitter über die Fünf enttäuscht ist. Darüber mag man lächeln. Sie begegnet aber auch bei Menschen, die sehr ernsthaft danach fragen, wie oft und wie ich beten muss, damit meine Bitten in Erfüllung gehen. Das sind sehr engagierte Christinnen und Christen, die intensiv um die Frage des richtigen Betens ringen, bis hin zu heftigen Selbstzweifeln und –vorwürfen. Denn wenn es dann mit dem Bitten nicht klappt, muss ich schuld sein. Dahinter steckt letztlich auch die Vorstellung von Gott als einem Automaten: Wenn ich alles richtig mache, bekomme ich das Gewünschte.

Dann gibt es noch die Vorstellung, wenn ich ein guter Mensch bin, dann müsse Gott meine Bitten doch erhören. Dahinter steckt die Vorstellung von Gott als einer Art Schiedsrichter, der über mein Leben, oft auch mein Gebet urteilen muss. Und entscheiden muss, ob meine Anstrengung ausreicht für die Belohnung. Auch diese Vorstellung kann Menschen in furchtbarste Selbstvorwürfe treiben, weil sie sich die Schuld z. B. für die Krankheit eines Menschen geben. Oder sie fühlen sich herausgefordert, Gott die unglaublichsten Abmachungen vorzuschlagen: wenn du, Gott, diese meine Bitte erhörst, dann werde ich... Diese Abmachungen gibt es nicht nur in den furchtbaren Momenten menschlichen Lebens, wo es um Leben oder Tod, Heil oder Untergang geht. Auch im Blick auf ein möglichst langes weiterhin glückliches und ruhiges Leben wird so gebeten, wenn ich mich bemühe, dies oder jenes tue, dann sorg du doch dafür, dass es immer so schön weiter geht...

Und dann gibt es noch die Vorstellung von Gott als dem Marionettenspieler. Wenn er doch allmächtig ist, warum tut er dann nicht mehr Gutes, schafft das Leid ab, heilt die fürchterlichen Krankheiten. Dahinter steckt der Gedanke, Gott sei eine Art Puppenspieler, der hinter den Kulissen die Fäden zieht. Auf der anderen Seite würde das bedeuteten, dass wir Menschen an diesen Fäden hängen und permanent von Gott hin- und hergezogen würde, eine Vorstellung, die wohl die meisten unter uns ablehnen würden und vor der sie auch sagen würden, sie entspricht nicht unserer Welt, so wie wir sie erleben.

Liebe Gemeinde,

ich glaube, dass viele Missverständisse, Enttäuschungen und falschen Hoffnungen im Blick auf das Bittgebet letztlich daraus entspringen, dass wir einen kleinen Satz des Vater Unsers nicht ernst genug nehmen: Dein Wille geschehe. So betet Jesus auch im Garten Gethsemane: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. Das ist vertrauensvolles Gebet, zutrauendes Gebet, es ist sogar ein Bitte. Ich gebe die Verantwortung ab, bin auch ein Stück entlastet, muss mich nicht für alles verantwortlich fühlen. Das ist eine Grenze. Diese mag den einen oder anderen ärgern. Oder unzufrieden machen. Oder sich enttäuscht abwenden lassen.

Denn es ist bitter und schmerzlich, wenn unsere sehnlichsten Wünsche nicht erfüllt werden. Aber niemand von uns hat den Überblick über die ganze Welt. Nur Gott. Das ist letztlich der Inhalt der Aussage Jesu, euer Vater Himmel weiß schon , was ihr braucht. Aber das heißt nicht, dass er die Regeln dieser Welt ausser Kraft setzt, die er ins Leben gerufen hat. Warum so und nicht anders, wird, solange es Menschen gibt, auch Inhalt von Klage und Bitte sein. Aber wir brauchen auf der anderen Seite auch nicht alles zu verstehen, ganz sicher nicht. So kann das Gebet uns dazu führen, dass wir unsere Grenzen und Begrenzungen wahrnehmen und hoffentlich auch akzeptieren können.

Danken. Klagen. Bitten. Das sind drei der großen Sprachformen des Gebetes. Letztlich Ausdruck meines Glaubens und Vertrauens, dass Gott mich und die ganze Welt in Händen hält, komme, was wolle. Und das dieser Gott nicht fern im Himmel thront und unansprechbar ist, sondern ein offenes Ohr hat. Nicht alles erhört, aber alles hört. Das haben wir von Jesus lernen können, der uns einen sehr persönlichen Umgang mit Gott vorgelebt hat. Ihm können wir nachfolgen, auch im Beten.

Amen.

 

P.S.
In diesen Wochen habe ich festgestellt, dass es eine weitere Sprachform des Betens gibt, die sehr wichtig ist, die mir aber Ende des Jahres nicht so bewusst war. Das ist das Schweigen. Irgendwann werde ich darüber auch noch eine Predigt halten.