Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Danken.
Predigt am 21. Januar 2001

 

"Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle alle deine Wunder!" 
(Psalm 9,2)

"Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch." 
(1. Thessalonicher 5,18)

 

Liebe Gemeinde,

von den drei "großen" Sprachformen des Gebetes – danken, klagen und bitten – haben wir, so scheint es mir, mit dem Dank die geringsten Schwierigkeiten. Gott dankbar zu sein, erscheint vielen als eine Selbstverständlichkeit. Für Gutes, was uns wiederfährt, empfinden Menschen oft ein Gefühl der Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber. Mein Herz fließt über, wenn ich etwas Schönes sehe und spricht sich aus in dem Ruf: "Mein Gott, wie wunderbar!" Oder unser Herz macht sich Luft im Stoßseufzer: "Gott sei Dank!", wenn ich etwas Schlimmes überstanden habe oder knapp an einer Katastrophe vorbei geschliddert bin. Wir haben dann das Gefühl, dass es richtig und angebracht ist, Gott zu danken – ob nun mit Worten oder mit stummen Blick zum Himmel oder wie auch immer.

Heute morgen möchte ich auf zwei Dinge zu sprechen kommen, die mir in der vergangenen Woche zum Stichwort "Danken" eingefallen sind.

1. Danken hängt mit Denken zusammen
Danken und denken, zwei Wörter, die in unserer deutschen Sprache sehr eng verwandt sind. Sie klingen nicht nur ganz ähnlich, sondern entstammen auch der gleichen Wortfamilie. Danken und denken. Dankbarkeit und Gedanken. Gedenken und Gedächtnis – alles Worte, die zusammengehören. Dankbarkeit ist also, so könnte man sagen, eine Folge des Denkens. So verstehe ich auch das Wort aus Psalm 9: "Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle alle deine Wunder!" Das Danken hat seinen Ausgangspunkt im meinem Nachdenken über meine Welt, über mein Leben, meine Lebenssituation. Ich trete – bewusst oder unbewusst – einen Schritt zurück und betrachte meine Welt. Wenn dann da Dinge sind, die mich freuen, die mich zufrieden oder gar glücklich machen, dann empfinde ich ein Gefühl der Dankbarkeit und das kann sich dann aussprechen in Worten Gott gegenüber – oder auch in Liedern, im Gesang! Da wo die Freude überschwingt, beginnen Menschen zu singen. Wo der Dank ins Lob umschlägt, äußern sich diese Gefühle in Liedern. Aber der Ausgangspunkt ist immer das Nachdenken über mein Leben. Danken kommt aus dem Denken.

2. Wofür danken?
Aber jetzt könnte man einwenden, es ist leicht zu danken, wenn es mir gut geht, wenn ich mich über etwas freue. Fordert aber nicht die Bibel, konkret der Apostel Paulus: Seid dankbar in allen Dingen?! Heißt das denn nicht, das ich mich als Christ darum bemühen muss, für alles dankbar zu werden, alle Dinge so nehmen zu können, dass ich sie als Geschenk betrachte? Eine schwierige Frage.

Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und versuchen, genauer in den Blick zu nehmen, wann wir Menschen uns dankbar fühlen. Ich sagte eben, das sind Dinge über die wir uns freuen, die uns glücklich machen. Aber wenn ich nach den Situationen frage, in denen ich dieses Gefühl von Dankbarkeit empfinde, dann fallen mir zwei Situationen ein: einmal Momente, in denen ich mich beschenkt fühle und dann Situationen, in denen ich geholfen bekomme, wenn ich das Gefühl, dass mir jemand zur Seite steht. Ich bedanke mich z. B. für ein Geschenk zum Geburtstag oder für die Hilfe beim Tragen von Einkaufstaschen. Ähnlich beim Dankgebet. Menschen empfinden das Gefühl großer Dankbarkeit beispielsweise - wir haben ja gerade zwei Kinder getauft - bei der Geburt eines Kindes. Sie haben das Gefühl ein Wunder mitzuerleben, zu spüren, wie etwas sich vollzieht, an dem sie - als Vater und Mutter – zwar großen Anteil haben, was aber keinesfalls selbstverständlich ist. Das äußert sich im Staunen, kann sich aussprechen in Worten des Dankes Gott gegenüber, das er uns teilhaben lässt an einem unbeschreiblichen Geschenk. Und das Gefühl der Dankbarkeit ist - um bei der Geburt eines Kindes zu bleiben - da, wenn ich daran denke, was alles hätte geschehen können. Da war jemand an unserer Seite, hat mit dafür gesorgt, dass alles gut gegangen ist.

Doch was ist dann mit den Eltern, die ein Kind verlieren in der Schwangerschaft? Was ist mit denen, die ein krankes Kind zur Welt bringen? Seid dankbar in alles Dingen. Und wenn ich das nicht kann, viel eher Trauer oder auch Wut empfinde – auch Gott gegenüber?

Der Satz des Apostels Paulus ist missverständlich. Seid dankbar in allen Dingen heißt, nicht für alle Dinge. In allen Dingen dankbar zu sein, das heißt für mich darüber nachzudenken, dass ich aus den Händen Gottes niemals falle, ganz gleich was geschieht. Seid dankbar in allen Dingen ist eine Einladung, auch dann an Gott festzuhalten, wenn es schwierig wird.

Das der Satz nicht so verstanden werden kann, dass wir für alles dankbar sein sollen, alles hinnehmen und noch Gott dafür danken sollen, das liegt auf der Hand, wenn wir die Bibel an vielen Stellen aufschlagen. Keineswegs haben die Menschen der Bibel Gott für alles gedankt. Im Gegenteil. Seitenweise gibt es dort Klagen, ja sogar Anklagen. Darüber wollen wir in der nächsten Predigt dieser Reihe in vierzehn Tagen nachdenken. Für heute lädt unser Gott uns ein, darüber nachzudenken, was wir in unserem Leben als Geschenk betrachten und wo wir das Gefühl haben, geholfen zu bekommen. Das sind die Wunder Gottes. Und dafür können wir ihm dankbar sein. 

Amen.